Wenig prickelnde Aussichten: Selbst wer in Deutschland 40 Jahre ununterbrochen 2.000 Euro brutto verdient hat, wird später nur eine Rente auf Harz IV-Niveau erhalten.
Eine auskömmliche Altersvorsorge wird auch durch die unerschütterliche Treue deutscher Sparer zu Zinsanlagen vereitelt. Sie parken ihr Geld immer noch zu weit über 70 Prozent in der No Go-Anlagezone von Sparbüchern, Festgeldern und Anleihen. Wer früher das Glück hatte, eine Million anlegen zu können, konnte noch mühelos von den Zinsen leben. Da es heute darauf nur noch 100 Euro jährlich gibt, muss die Vermögenssubstanz schneller verzehrt werden als eine Ackerfläche von Heuschrecken. Leider macht die Zinsnot vor nichts Halt: Betriebliche und private Versorgungswerke - sogar die für die Anlageexperten der Finanzindustrie - werden regulatorisch gezwungen, sich in Zinspapieren zu suhlen wie das Borstenvieh im Dreck.
Bei Staatspapieren muss das Argument herhalten, sie seien sicher, risikofrei. Jedoch konnten diese vermeintlich heiligen Kühe dem Schlachthof bereits in der Vergangenheit nicht entkommen. Wie wollen eigentlich die Länder der Eurozone, aber auch Amerika ihre heutigen Schulden jemals zurückzahlen? Überhaupt, weil steigende Staatsschulden uns weiter verfolgen werden wie der Mond der Erde, bleiben die Messer gewetzt.
Je höher das Ausfallrisiko früher war, desto größer fiel der Risikoaufschlag mit höheren Zinsen aus. Heute muss es absurderweise umgekehrt sein. Ansonsten wären die Schuldenstaaten bankrott. Und wenn sie nicht gestorben sind, werden die Notenbanken - man nennt sie im Volksmund finanzpolitische Erfüllungsgehilfen - auch morgen noch die Zinsen plattmachen wie Schnitzelklopfer das Fleisch.
Und wo es keine Zinsen gibt, da hat sich ebenso der Zinseszinseffekt erledigt. Den Rest gibt uns die Inflation, die schon offiziell über den Zinsen liegt, von der tatsächlichen ganz zu schweigen. Damit ist das einzig sichere an Zinspapieren der sichere Vermögensschwund.
Insgesamt ist die deutsche Altersvorsorge im Status Quo eine tickende Zeitbombe.
In Deutschland ist Aktiensparen elitär. Nur eine Minderheit investiert in diese Anlageform. Das liegt nicht zuletzt an ideologisierten Politikern, die Aktien als Teufelszeug brandmarken. Sie haben gut reden. Mit Blick auf ihre privilegierten Altersbezüge müssen sie vor der Versorgung der Normalos so wenig Angst haben wie Nutztiere vor Veganern. Dabei fußen auf unseren börsennotierten deutschen Aktiengesellschaften jede Menge Wohlstand und gute Arbeitsplätze. Was ist falsch daran, das breite Publikum an diesem substanzstarken Produktivvermögen zum Zweck der Alterssicherung zu beteiligen?
Natürlich sind Aktien mit Risiken versehen. Sie schwankten früher schon und werden es auch zukünftig tun. Doch selbst von den größten Einbrüchen haben sich Aktien ausnahmslos nicht nur erholt, sondern sind immer wieder zu neuen Höhen aufgestiegen. Allen Schwächephasen wie z.B. Dotcom-, Immobilien- oder Euro-Krise zum Trotz hat der deutsche Leitindex DAX seit seiner Einführung vor 30 Jahren eine durchschnittliche Rendite von 8,6 Prozent erzielt.
Apropos Aktienschwankungen, sie machen regelmäßige Sparpläne so attraktiv, dass Vater Staat sie zur Alterssicherung unbedingt fördern muss. Denn in sinkenden Kursphasen erhält man für den gleichen Sparanteil mehr Aktienanteile, die bei Börsenerholung das gesamte Aktienvermögen anheben wie ein Lastenaufzug.
Zur Risikobegrenzung dieser Aktien basierten Altersvorsorge soll der Staat Vorkehrungen treffen: Der Anlagefokus liegt auf Aktien-Fonds bzw. Aktien-ETFs aus dem Euro-Raum, um Währungsverluste zu verhindern. Diese basieren am besten auf den großen Leitindices, um das Einzeltitelrisiko zu mildern. Bei der Aktienauswahl geht es schwerpunktmäßig um Titel mit langfristig robustem Geschäftsmodell: Essen, Trinken, Wohnen, zum Onkel Doktor gehen, Mobilität oder Kommunikation sind stabilste menschliche Grundbedürfnisse.
Ohnehin bieten diese Titel typischerweise hohe Dividenden, die im Ansparzeitraum die verloren gegangene Sinnlichkeit des Zinseszinseffekts durch den Genuss des Wiederanlageeffekts von Ausschüttungen ersetzen. Schon der DAX als sicher nicht dividendenstärkster Aktienindex hat eine durchschnittliche Dividendenrendite von 2,7 Prozent, gemessen als Differenz aus allgemeinem Performance- und reinem Kursindex. Dividendenstarke Aktien haben zudem eine kursstabilisierende Wirkung.
Übrigens, im Gegensatz zu deutschen Staatspapieren überstanden z.B. Daimler und Siemens zwei Weltkriege.
Sicherlich schlagen Kursverluste bei wachsendem Aktienvermögen in immer größerem Ausmaß negativ zu Buche. Bei nahendem Auszahlungsbeginn sollen daher das Aktienrisiko heruntergefahren und Kursgewinne durch Verkäufe immer mehr realisiert werden.
Je früher man mit regelmäßigen Sparplänen anfängt, umso weniger lässt es sich verhindern, vermögend zu werden. Dennoch, die Vorteile des Aktiensparens kann man deutschen Anlegern wohl nur steuerlich schmackhaft machen. Daher sollte ein ordentlicher Batzen aus dem monatlichen Steuerbrutto in Aktien angespart werden dürfen und das so angesparte Vermögen auch bei späterem Verzehr steuerfrei bleiben. Die Bedingungen dazu wären, über viele Jahre einzuzahlen und die Ansparleistung nur bei vordefinierten Härten des Lebens anzutasten. Diese steuerliche Großzügigkeit bei der Aktien-Förderung ist gut investiertes Geld. Damit wirkt die Berliner Politik der ansonsten zunehmenden Altersarmut entgegen. Bereits in diesem Jahr zahlt Deutschland eine Billion Euro an Sozialleistungen, Tendenz steigend.
Berlin sollte wie in Schweden eigene Vermögensbildungsfonds auflegen, um den individuellen Aufwand bei Aktienanlegern zu reduzieren. Außerdem wäre es sinnvoll, einen Staatsfonds nach dem Vorbild Norwegens zu gründen, der Finanzmittel für Zukunftsinvestitionen in Infrastruktur und Digitalisierung sammelt. So könnten sich die Anleger an der verbesserten volkswirtschaftlichen Substanz beteiligen.
Weg mit der Zinsarmut und her mit der Revolution in der Altersvorsorge mit Aktien für alle und nicht nur wenige. Es lebe der „Volkskapitalismus“.